Blitzlichter aus meinem Leben ...
... Gefangenschaft


Ein Brief an meine Mutter aus dem Gefängnis Orleansville.

Liebe Mutter!

Von all dem Wüten und Grübeln liegst du wieder auf der harten Liege. Wilde Bilder zermartern dein Hirn, das sich mit dem ungerechten Schicksal nicht abfinden will.

Du zweifelst längst an allen christlichen Grundsätzen. Siehst die unabwendbare Niederlage des Christentums vor Augen. Ja fast wünschst du, da nun alles bei der Übergabe in Reims verloren ist, dass der Aufmarsch der Russen schneller gehen möge - dass die ganze Welt unter einer Regierung vereinigt wäre. Alles würde vielleicht gleichmässig und gerecht verteilt. Jeder hat genug zu essen. Kein Gedanke mehr an Morden und Krieg! Der Lebensstandart der Menschen wächst gleichermassen für alle! Doch dann wieder wechselt die Macht der Gewalten Hände des Lasters niedriger Charaktere lassen ihren Gelüsten freien Lauf - und von den Tyrannen zur Weissglut getrieben werden die Tyrannen wieder gestürzt! Wieder bilden sich Teile aus dem Ganzen. Neue Kriege entbrennen mit immer grausameren Methoden.

Und die Sonne zieht nach wie vor ihre Bahn.... Der Mond und die Sterne bilden nach wie vor ihre magische Anziehungskraft in der Nacht. Und der Regen lässt immer noch alles auf der Erde wachsen und gedeihen!

Dass es auch vor Christus Gut und Böse gegeben hat, weißt du, ich bin davon überzeugt, dass mich hier unser Vater wieder in die sicheren Bahnen gebracht hätte.

Alles Gute für dich Mutter! Dein Sohn Hellmut

Ein Gedicht von Emil über Vater zum 19. 1. 1944.

Vater, weit bist du und doch so nah.
Ich fühl' es immer wieder: Du bist da.
Wie Gott sich um uns müht bei Tag und Nacht,
so hast auch du ob unserm Haupt gewacht.

Wir sind allein. Sind allesamt getrennt,
das eint uns: daß dich jeder Vater nennt!
Wenn wir noch wechselnd recht und irre gehn,
wir können doch nach dir im Geiste sehn!

Und wenden wieder uns vom Bösen fort
auf deinen Weg nach Gottes heil'gem Wort!

E. Hartwig, 1943/1944
. . . . . . . . . . . . . . .

Hellmut - Weihnachten 1947 (Heiligabend 1946 war ich noch in der Gefängniszelle in Oeleansville).

Ich war ganz allein. Ich wohnte bei einer alten Dame in einem kleinen Zimmer. Eine Dole kam mich jeden Tag besuchen. Wir wurden gute Freunde. Und meine Freundin Margrit kam mich auch besuchen.

Ich war ganz allein. Es war spät am Abend, ich ging über grobes Kopfsteinpflaster das vom Regen im Laternenlicht glänzte. Neben mir die erleuchteten hohen bunten Kirchenfenster der alten gewaltigen ehrbaren Marieenkirche in Lemgo. Das Orgelspiel gefiel mir und ich lauschte. Der Raumklang dieser Kirche in den hohen Gewölben ist wunderbar und schön und berühmt!
Die besten Orgelspieler, auch international, bemühmen sich um in der Marieenkirche zu Lemgo, der alten Hansestadt spielen zu dürfen. Mein weisser Schillerkragen leuchtete in dieser dunklen Strasse. . . . . . . . . . .  Nachdenklich wünschte ich mir eine wirkliche einige Weltbevölkerungsgemeinschaft!

Weihnachten 1947
Hellmut

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© Helmut Hartwig 2006 - [Stand: 21.03.2006]css